Queering the World vs. Queer Worldmaking
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In vielen Gesprächen, die ich im Rahmen meiner Masterarbeit führte, hörte ich den Satz: „Ein sehr aktuelles Thema, an dem du da arbeitest!“ Fraglos erlebt die LGBTQIA+-Community heute mehr Sichtbarkeit denn je. Queere Individuen gibt es, seit es Menschen gibt. Ereignisse wie die Stonewall-Aufstände von 1969 und die ACT UP!-Bewegung der 1980er Jahre sorgten für weltweite Aufmerksamkeit. Doch spätestens mit dem Aufkommen der sozialen Medien, die sowohl Selbstdarstellung und Selbstbestimmung als auch die Formierung und Radikalisierung globaler rechter Bewegungen erleichterten, scheint die queere Community zwischen Randfigur der Gesellschaft und Mittelpunkt politischer Debatten zu schweben. Queer-Sein ist plötzlich Mainstream und das finden nicht alle gut: Während Kamala Harris den Brat Summer ins Oval Office bringen will¹ oder Orville Peck die „doch nicht so konservativ-verklemmte“ Country-Musik aus ihrem Closet holt (wenn es nicht schon Dolly Parton vor ihm getan hat), entsteht für manche der Eindruck, die Welt, in der wir leben, werde immer queerer.² Rechtsgesinnte sehen in der Entwicklung eine gesellschaftliche Verkümmerung.³ Schlagzeilen machen die Runde, wie die von Elon Musk, der auf X den Tod seines Sohnes bekannt gab.⁴ Tatsächlich ist seine Tochter Vivian Jenna Wilson quicklebendig – sie ist lediglich vor ihrem Vater geflohen, weil dieser ihre Transition zur Frau nicht akzeptieren konnte.⁵ Oder es sind Aussagen wie „die bösen Drag Queens“, die Vorschüler*innen aus Kinderbüchern vorlesen und angeblich einzig die Mission verfolgen, die Geschlechtsidentität der Kinder zu verunsichern.⁶
Als queerer Designer beschäftigt mich diese Entwicklung sehr. In den vergangenen neun Monaten habe ich im Rahmen meiner Masterarbeit intensiv untersucht, was es bedeutet, etwas zu queeren. Ich habe Queering Design als strategische und gestalterische Herangehensweise in der Designpraxis erforscht mit einem speziellen Fokus auf geschlechtergetrennte Toilettenräume. Geht es bei Queering Design um eine stereotypische Art der Gestaltung, einen ästhetischen Stil, der versucht, Dinge in eine künstliche, aufgeblasene pink-plüschige Hülle zu packen, ähnlich wie bei einem Yassification-Facefilter? Oder handelt es sich um etwas, das – wenn man den Ängsten homophober und queerfeindlicher Gruppierungen Glauben schenkt – eine Enteignung cis-heteronormativer Ideale bedeutet? Werden durch Queering Dinge, Räume, Systeme und Ideale von queeren Minderheiten für ihre eigenen Interessen angeeignet, ganz nach dem Motto Queering the World? Ist Queering Design der Katalysator, um alles auf den Kopf zu stellen? Sind die Befürchtungen der Rechten gar nicht so unbegründet? Um diese Frage zu beantworten, sollten wir zuerst ein paar grundlegende Punkte klären, um zu verstehen, worauf Queering Design tatsächlich hinauswill:
1 Vgl. Silke Wichert, Gören Sommer, in Süddeutsche Zeitung Online Magazin, 23.07.2024, https://sz-magazin.sueddeutsche.de/vorgeknoepft-die-modekolumne/brat-charlie-xcx-gruen-summer-kamala-harris-94142 (zuletzt besucht am 19.08.2024)
2 Vgl. Marc Malkin, Masked Singer Orville Peck on Being Openly Gay in Country Music: ‘We’ve Always Been There’, in Variety Online Magazine, 02.06.2022, https://variety.com/2022/music/news/orville-peck-country-music-gay-lgbtq-1235283119/ (zuletzt besucht am 19.08.2024)
3 Vgl. Tristan Ferland Milewski, Hass Gegen Queer, Filmreportage dass rbb, 24.07.2024, https://www.rbb-online.de/doku/h-j/hass-gegen-queer.html, (zuletzt besucht am 20.08.2024)
4 Vgl. Elon Musk, X, 23.07.2024, https://x.com/FoxNews/status/1815560005866738101, Aufgerufen am 16.08.2024 (zuletzt besucht am 20.08.2024)
5 Vgl. Alexander Amon, Den Wölfen vorgeworfen: Trans-Tochter von Musk äußert sich zu Biografie, Der Standard, 14.08.2024, https://www.derstandard.de/story/3000000232377/den-woelfen-vorgeworfen-trans-tochter-von-musk-aeussert-sich-zu-biografie(zuletzt besucht am 16.08.2024)
6 Vgl. Heike Rüder, Rechte Hetze trifft auf Realität, TAZ online, 14.06.2023, https://taz.de/Drag-Kuenstlerinnen-lesen-Kindern-vor/!5935315/, (zuletzt besucht am 16.08.2024)
Queer Worldmaking
In den queer-feministischen Sprachwissenschaften, u.a. vertreten durch Lauren Berlant und Michael Warner, bezeichnet Queer Worldmaking ein Projekt, das die bejahende Welt queerer Individuen untersucht. Berlant und Warner beschreiben in Sex in der Öffentlichkeit, wie diese Welt innerhalb einer größeren, dominanten Gesellschaft (ko-)existiert und durch Handlungen, intensive oder flüchtige Beziehungen, Aktivismus sowie das künstlerische Schaffen von Menschen am Rande der Gesellschaft belebt wird.⁷ Diese Welt hat ihre eigene Kultur, spricht ihre eigene Sprache und ist grenzenlos zugänglich, mit vielen Ein- und Ausgängen. Sie sei, laut Berlant und Warner, Sammlung unterschiedlichster, riskanter und provokativer Wege und Ästhetiken, die Queers einschlagen und schaffen, um das zu kultivieren, was von „rechtschaffenden“ Menschen als „kriminelle Intimitäten“ abgewertet wird. „Rechtschaffend“ steht hier in Zusammenhang mit der Vorstellung einer öffentlich sexuellen Gesellschaft im Gegensatz zur privatisierten sexuellen Kultur der Heterosexualität, die ihren Praktiken ein unausgesprochenes Gefühl der Richtigkeit und Normalität verleiht. Dieses Gefühl der Richtigkeit, das nicht nur im Sex, sondern in den Dingen selbst verankert ist, nennen Berlant und Warner Heteronormativität und meint damit weit mehr ist als nur Ideologie, Vorurteil oder die Phobie vor Schwulen und Lesben. Sie manifestiert sich in nahezu allen Formen und Arrangements des sozialen Lebens: in Nationalität, Staat und Gesetz, in Wirtschaft, Medizin und Bildung ebenso wie in den Konventionen und Affekten der Narrativität, der Romantik und anderen geschützten kulturellen Räumen.⁸ Die heterosexuelle Matrix erscheint wie eine unumgängliche, einzig wahre Realität, der man nur entkommen kann, indem man sich in Nischen dominanter Öffentlichkeiten versteckt oder sich unterhalb der sichtbaren Oberfläche des Alltags bewegt, etwa in Gay- und Lesbian-Bars, in Clubs und Cruising-Spots, in der sowohl sexuelle Freiheiten als auch intime Begegnungen und Nicht-Begegnungen existieren dürfen. Inzwischen hat die digitale Welt diese Grenzen verschoben, denn Social Media verbreitet und verbindet netzwerkartig alle und jede*n, die sich in ihrer Lebensrealität verstanden und zugehörig fühlen. Mehr Menschen kommen, sei es zufällig oder durch den algorithmusgesteuerten Trends, mit diesen Lebensrealitäten in Berührung. Was auch eine Erklärung sein kann, weshalb die Sichtbarkeit von LGBTQIA+-Menschen derzeit Hochkonjunktur erlebt.
7 Vgl. Berlant, Lauren, and Michael Warner. "Sex in public." Critical inquiry 24.2 (1998), S.92
8 Ebd.
Wir leben in einer Welt, gestaltet von cis-heteronormativen Menschen für cis-heteronormative Menschen.
Sowohl in der Designpraxis als auch in der Designtheorie lassen sich wenig Bezüge zur Queer Theory finden. Die Forschung von Ece Canlı ist daher umso bedeutender. In ihrer Dissertation Queering Design: Material Re-configuration of Body Politics hinterfragt Canlı aus einer queer-feministischen und anti-kolonialen Perspektive grundlegende Annahmen der Designpraxis. Sie argumentiert, dass Geschlechternormen im Design dekonstruiert werden müssen, um die Grenzen für queere Individuen zu verschieben. Canlı konzentriert sich in ihrer Forschung nicht auf besonders im Design gängige Konzepte, die Innovation und maximales Entwicklungspotenzial überbetonen. Dies ist vor allem in der marktorientierten Designbranche, welche sich ausschließlich über diesen Weg profiliert, der Fall. Stattdessen richtet sie ihren Blick auf diejenigen, die sich am unteren Ende der Erfolgspyramide befinden. Es sei ein Trugschluss, so Canlı, Design nur als Produkt eines unbedingten Fortschrittsglaubens in einem kapitalistischen System zu sehen. Ebenso wichtig seien dekonstruktive Methoden wie unlearning, unmaking und undoing – also ein Abbauen existierender und erlernter Konventionen – und damit als Anti-Strategien für die Designpraxis verstanden werden können.⁹
Canlı betont, dass Design queeren bedeutet, bei der gestalterischen Kritik festgefahrener Materialitäten, Handlungen und Systeme nicht in alte Designmuster zurückzufallen. Stattdessen sollte Design auch dysfunktional, unnütz und frei von Erfolgsdruck oder totaler Gestaltung sein – ergebnisoffen und bereit für das Erleben eines radikalen „Scheiterns“ (failure). ¹⁰ Das Ziel von Queering Design ist es, eine Machtverschiebung zugunsten marginalisierter Individuen zu erreichen und einen bisher ausgebliebenen queer turn im Design herbeizuführen, der die Konstruktion von Geschlechternormen grundlegend hinterfragt und dekonstruiert. Queering Design kann ironisch, absurd, campy und missverstanden sein und fungiert daher auch als Antithese zu sich selbst.
„Einen queere turn im Design bedeutet nicht ‚Design für queere Menschen‘ als neuen Markt für Produktion oder um eine Sammlung von ‚queeren Designern‘ zu erzeugen. Es bedeutet auch nicht, Queerness im Design als stilistisches Mittel für alle marginalisierten Identitäten oder lediglich als geschlechtslos oder ‚unisex‘ zu betrachten. (…) Es ist ein Projekt des Aufdeckens, Entfaltens und Entwirrens der Hegemonien aller materiellen Praktiken, die tief in unseren kulturellen, sozialen und alltäglichen Kontexten verwurzelt sind.“¹¹
Queering Design versteht sich also als eine kritische Designpraxis, die traditionellen Gestaltungsprinzipien gegenübersteht. Es ist unbestreitbar, dass sowohl die gestaltete Welt als auch die Grundsätze des Designs innerhalb heteronormativer Idealvorstellung definiert wurden. Während Queering Design plurale Lösungen und verschiedenartige Wahrheiten zulässt und diese in den Gestaltungsprozess einbezieht, auch wenn sie zu keiner konkreten Lösung führen, steht es im Widerspruch zum Dogma des „guten und einzig wahren Designs“, das als Universallösung versucht, alle Probleme zu vereinen.¹² Die allgemeinen Erwartungen an Design stehen immer in Verbindung mit ganzheitlichen Lösungen, doch dabei gehen häufig die Stimmen marginalisierter Gruppen verloren.
9 Die Idee des undoings entspringt der dekolonialen Theorieforschung und bezieht sich auf die Praxis, jegliche Form von kolonialem Denken, Strukturen und Materialitäten rückgängig zu machen. Canlı zieht Parallelen zum Design und erkennt dort eine fortwährende koloniale Logik, die sich auf das Queeren übertragen lässt. Undoing lässt sich auch ganz im Sinne von Judith Butlers Veröffentlichung Undoing Gender verstehen, als eine „Abweichung“ von wiederkehrenden Normen und der binären Geschlechterordnung sowie erlernten Gender-Performativitäten. Abweichung meint dabei auch, sich bewusst in eine Gegenposition zur Dominanz cis-heteronormativen Denkmustern und Materialitäten zu stellen. In einer von Menschen für Menschen geschaffenen Welt, in der Ressourcen und Bedingungen ungleich verteilt sind, werden cis-heteronormative Materialitäten kontinuierlich reproduziert. Dadurch werden bestimmte Körper privilegiert und als überlegen angesehen, während andere unterdrückt und marginalisiert werden. Canlı macht mit dieser Gegenüberstellung klar, dass das aufgezwungene, disziplinierte Geschlecht nicht allein ein Konstrukt von Gender-Performativitäten ist, sondern auch in den designten Räume, Architekturen, Systeme und Gesellschaften verankert ist, in denen sich die Subjekte bewegen.
Vgl. Ece Canlı, Queering Design: Material re-configuration of body politics, University of Porto (FBAUP), Porto, 2017, S.3
10 Vgl. Felix Kosok, Form, Funktion und Freiheit: über die ästhetisch-politische Dimension des Designs, Vol. 11, Hrsg. v. Prof. Dr. Oliver Ruf, transcript Verlag, Bielefeld, 2021, S. 348
11 Übersetzung des Autors. Im Original: „[A] queer turn in design does not mean ‚design for queer people‘ as a new marketplace for production or to make an inventory of ‚queer designers‘. Nor does it deem queerness in design to be a stylistic umbrella for all marginalized identities or merely being genderless or ‚unisex‘. (…) It is a project of excavating, unfolding and unraveling the hegemonies of all material practice so deeply entrenched in our cultural, social and daily contexts.“ Ece Canlı, Queering Design: Material re-configuration of body politics, University of Porto (FBAUP), Porto, 2017, S.100
12 Vgl. Mara Recklies, Design ist niemals wertfrei, Mara Recklies im Gespräch mit Felix Kosok, Deutscher Designer Club, 02.11.2023, https://www.ddc.de/de/magazin/design-ist-niemals-wertfrei.php (zuletzt besucht am 20.08.2024)
Queering Bathrooms
Ich möchte auf mein Thema der geschlechtergetrennten Toiletten zurückkommen, ein besonders interessantes Beispiel in diesem Kontext. Gemeinschaftstoiletten werden oft als neutrale, funktionale Infrastrukturen verstanden, die universelle Bedürfnisse erfüllen sollen. In Wirklichkeit sind sie jedoch fluide, umkämpfte Räume, die durch die Interaktion von Körpern und Gemeinschaften anders geformt und interpretiert werden. Standardisierte Gestaltungsnormen basieren auf einer binären Raumpolitik, die ungleiche Geschlechterrollen voraussetzt und damit überholte Vorstellungen festigt, während „andere“ Geschlechteridentitäten ausgeschlossen werden. Das Credo des universellen Designs verspricht eine „Lösung für alle“, erweist sich jedoch als lückenhaft und nicht vollständig durchdacht. Trotz der bekannten Probleme gestaltet sich eine Veränderung dieser Räume oft als schwierig bis unmöglich. Debatten enden häufig im bürokratischen Chaos, was zur fortwährenden Diskriminierung und Stigmatisierung von trans* und non-binären Menschen führt. Bereits 2015 initiierten der Architekt Joel Sanders, die Transgender-Historikerin Susan Stryker und der Rechtswissenschaftler Terry Kogan das Projekt Stalled!, das die Dichotomie geschlechtergetrennter Toiletten kritisiert und diese Thematik aus kultureller, politischer und rechtlicher Perspektive beleuchtet:
„Wir sind entschlossen, dieses Thema durch drei Initiativen in den Bereichen Design, Recht und Bildung anzugehen: die Entwicklung von Best-Practice-Richtlinien für geschlechtsneutrale Toiletten unter Berücksichtigung rechtlicher, wirtschaftlicher und praktischer Aspekte; die Änderung des International Plumbing Code („IPC“)—des Modellcodes, der die meisten Bauvorhaben in den Vereinigten Staaten regelt, um geschlechtsneutrale Mehrbenutzer-Toiletten zu ermöglichen; und die Sensibilisierung der Design-Community sowie institutioneller und staatlicher Akteure.“¹³
Die sogenannte multi-user solution bricht mit der binären Raumgestaltung, die halb-abgetrennte Kabinen nutzt, und ersetzt sie zu einer offenen Raumsituation mit vollständig geschlossenen Toilettenräumen. Diese Umstrukturierung bietet den Nutzenden mehr Sicherheit, indem sie die Gesamtsituation leichter überblicken können, während gleichzeitig durch abgetrennte Toilettenbereiche Intimsphären gewahrt bleiben. Trotz der scheinbar einfachen Forderungen und Vorschläge hat sich neun Jahre nach Veröffentlichung des Projekts wenig verändert. Sowohl Befürworter*innen, als auch für Gegner*innen geschlechtergetrennter Toiletten betrachten das Thema als eine Sicherheitsfrage. Gegner*innen bezeichnen Trans*-Frauen fälschlicherweise als Männer*, die sich als Frauen* verkleiden, während Trans*-Allies auf Statistiken verweisen, die zeigen, dass Trans*-Personen auf der Toilette häufiger Opfer von Gewalt werden.¹⁴
13 Übersetzung des Autors. Im Original:: „We are committed to tackling this topic through three design, legal and educational initiatives: developing Best Practice Guidelines for all-gender restrooms in light of legal, economic, and practical considerations; amending the International Plumbing Code (“IPC”)—the model code that governs most construction in the United States to allow for all-gender, multi-user restrooms, and raising the awareness of the design community and institutional and government stakeholders.” Joel Sanders, Stalled!, Auszug aus Projektbeschreibung, https://www.stalled.online, (zuletzt besucht am 17.08.2024)
14 Stryker, Susan, Stalled!, Anzug aus Projektfilm, https://www.stalled.online/#video, (zuletzt besucht am 15.08.2024)
Die Abbildungen zeigen eine Version des öffentlichen Toilettenkonzepts basierend auf Stalled!. Der Vorraum ist von beiden Seiten offen und durch eine semi-transparente Trennwand teilweise abgetrennt, was Sicherheit durch die Möglichkeit schafft, die Raumsituation aus verschiedenen Perspektiven zu überblicken. Die dahinterliegenden Kabinen sind vollständig geschlossene Räume, die absolute Intimsphäre gewährleisten.
Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass es neben der Geschlechtersegregation auch andere Formen der Toilettensegregation gab. In den USA spiegelten öffentliche Toiletten zu verschiedenen Zeiten soziale Ängste wider, die durch die Integration zuvor marginalisierter Gruppen in die Mainstream-Gesellschaft ausgelöst wurden. Beispiele dafür sind der Kampf gegen Toiletten ausschließlich für Schwarze während der Bürgerrechtsbewegung in den 1950er und 1960er Jahren, die Angst vor HIV-Infektionen durch die gemeinsame Nutzung von Toiletten mit schwulen Männern* während der AIDS-Krise in den 1980er Jahren und die Forderung der Behindertenrechtsbewegung nach barrierefreien Toiletten, die 1990 zum Americans with Disabilities Act führte.¹⁵ Im Vergleich dazu sind die aktuellen Debatten über Trans*gender-Toiletten die jüngste Episode solcher Segregationsmechanismen. Es wird deutlich, dass die Sicherheitsbedenken hier gar nicht die treibende Kraft sind, sondern vielmehr eine strukturelle Angst wie in früheren Fällen. Während es bei den separaten Toiletten für Schwarze um Rassismus, bei schwulen Männern* während der AIDS-Krise um Homophobie und bei Menschen mit Behinderungen um Abelismus ging, ist es in dieser Debatte die Trans*phobie, die als eigentlicher Faktor hinter den „Sicherheitsbedenken“ verborgen ist, sich aber argumentativ gut verpackt hinter der „Bedrohung von mehr Gewalt an Frauen“ versteckt, wie beispielsweise im Artikel „Rettet die Frauentoilette“, der EMMA-Redakteurin Chantal Louis.¹⁶ Tatsächlich steckt die Bedrohung in dem Unbekannten und Fremden, das die normative Zweigeschlechtlichkeit infrage stellt. Diese Angst resultiert aus einem Mangel an Vorstellungskraft für alternative architektonische und designbezogene Lösungen, da das Bild der binären Raumaufteilung fest mit normativen Identitäten und Glaubenssätzen verknüpft ist.
15 Gillian Frank, The Anti-Trans Bathroom Nightmare Has Its Roots in Racial Segregation, Slate Online Magazine, 10.11.2015, https://slate.com/human-interest/2015/11/anti-trans-bathroom-propaganda-has-roots-in-racial-segregation.html, (zuletzt besucht am 17.08.2024)
16 Chantal Louis, Rettet die Frauentoilette!, EMMA, 04.11.2022, https://www.emma.de/artikel/bald-keine-frauen-toiletten-mehr-339915 (zuletzt besucht am 11.08.2024)
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen: Queering Design ist weit mehr als nur Glitzer und Paillette, ein Folly hedonistischer Freiheit innerhalb von Safespaces oder auf Social Media. Es ist der materialisierte Wunsch nach Zugehörigkeit und Anerkennung sowie ein Kampf gegen cis-heteronormative Denkmuster und Ideale, der manchmal provokativ sein muss, wie es Berlant und Warner es in ihrem Konzept der Welterzeugung beschreiben. Queering Design hinterfragt die Art und Weise, wie Design zur Privilegierung bestimmter Körper beiträgt und andere marginalisiert, wie Ece Canlı treffend formuliert hat. Statt eindimensionaler Lösungen, braucht es – wie es Joel Sanders, Susan Stryker und Terry Kogan im Projekt Stalled! zeigen – ganzheitliche Ansätze, die strukturelle Probleme erkennen und Macht zugunsten marginalisierter Gruppen verschieben. Queering Design nimmt niemandem Freiheiten, sondern lädt dazu ein, die Welt aus einer queeren Perspektive zu betrachten. Unsere komplexe Gesellschaft erfordert, dass wir verschiedene Wahrheiten und Lebensrealitäten anerkennen und Lösungen anbieten, die den vielfältigen Bedürfnissen gerecht werden. Queering Design ist folglich keine Problemlösungsstrategie, aber eine Antwort auf viele noch offene und zu klärende Fragen, die Designer*innen dazu anregen sollte, sich dieser Herausforderung bewusst zu stellen.
Photo Credits: András Tibor Vizi, Model: Anton Henzler
Editorial: Dr. Mahret Ifeoma Kupka
Diese Veröffentlichung ist erstmalig in der Publikation "Aneignung*" des gleichnamigen Seminars im SoSe 2024 von Dr. Mahret Ifeoma Kupka für Designtheorie an der UdK Berlin am 19.11.2024 erschienen. Herausgegeben vom Institut für experimentelles Bekleidungs- und Textildesign der Universität der Künste, Berlin.
DE/EN
Queering the World
vs. Queer Worldmaking
In vielen Gesprächen, die ich im Rahmen meiner Masterarbeit führte, hörte ich den Satz: „Ein sehr aktuelles Thema, an dem du da arbeitest!“ Fraglos erlebt die LGBTQIA+-Community heute mehr Sichtbarkeit denn je. Queere Individuen gibt es, seit es Menschen gibt. Ereignisse wie die Stonewall-Aufstände von 1969 und die ACT UP!-Bewegung der 1980er Jahre sorgten für weltweite Aufmerksamkeit. Doch spätestens mit dem Aufkommen der sozialen Medien, die sowohl Selbstdarstellung und Selbstbestimmung als auch die Formierung und Radikalisierung globaler rechter Bewegungen erleichterten, scheint die queere Community zwischen Randfigur der Gesellschaft und Mittelpunkt politischer Debatten zu schweben. Queer-Sein ist plötzlich Mainstream und das finden nicht alle gut: Während Kamala Harris den Brat Summer ins Oval Office bringen will¹ oder Orville Peck die „doch nicht so konservativ-verklemmte“ Country-Musik aus ihrem Closet holt (wenn es nicht schon Dolly Parton vor ihm getan hat), entsteht für manche der Eindruck, die Welt, in der wir leben, werde immer queerer.² Rechtsgesinnte sehen in der Entwicklung eine gesellschaftliche Verkümmerung.³ Schlagzeilen machen die Runde, wie die von Elon Musk, der auf X den Tod seines Sohnes bekannt gab.⁴ Tatsächlich ist seine Tochter Vivian Jenna Wilson quicklebendig – sie ist lediglich vor ihrem Vater geflohen, weil dieser ihre Transition zur Frau nicht akzeptieren konnte.⁵ Oder es sind Aussagen wie „die bösen Drag Queens“, die Vorschüler*innen aus Kinderbüchern vorlesen und angeblich einzig die Mission verfolgen, die Geschlechtsidentität der Kinder zu verunsichern.⁶
Als queerer Designer beschäftigt mich diese Entwicklung sehr. In den vergangenen neun Monaten habe ich im Rahmen meiner Masterarbeit intensiv untersucht, was es bedeutet, etwas zu queeren. Ich habe Queering Design als strategische und gestalterische Herangehensweise in der Designpraxis erforscht mit einem speziellen Fokus auf geschlechtergetrennte Toilettenräume. Geht es bei Queering Design um eine stereotypische Art der Gestaltung, einen ästhetischen Stil, der versucht, Dinge in eine künstliche, aufgeblasene pink-plüschige Hülle zu packen, ähnlich wie bei einem Yassification-Facefilter? Oder handelt es sich um etwas, das – wenn man den Ängsten homophober und queerfeindlicher Gruppierungen Glauben schenkt – eine Enteignung cis-heteronormativer Ideale bedeutet? Werden durch Queering Dinge, Räume, Systeme und Ideale von queeren Minderheiten für ihre eigenen Interessen angeeignet, ganz nach dem Motto Queering the World? Ist Queering Design der Katalysator, um alles auf den Kopf zu stellen? Sind die Befürchtungen der Rechten gar nicht so unbegründet? Um diese Frage zu beantworten, sollten wir zuerst ein paar grundlegende Punkte klären, um zu verstehen, worauf Queering Design tatsächlich hinauswill:
Queer Worldmaking
In den queer-feministischen Sprachwissenschaften, u.a. vertreten durch Lauren Berlant und Michael Warner, bezeichnet Queer Worldmaking ein Projekt, das die bejahende Welt queerer Individuen untersucht. Berlant und Warner beschreiben in Sex in der Öffentlichkeit, wie diese Welt innerhalb einer größeren, dominanten Gesellschaft (ko-)existiert und durch Handlungen, intensive oder flüchtige Beziehungen, Aktivismus sowie das künstlerische Schaffen von Menschen am Rande der Gesellschaft belebt wird.⁷ Diese Welt hat ihre eigene Kultur, spricht ihre eigene Sprache und ist grenzenlos zugänglich, mit vielen Ein- und Ausgängen. Sie sei, laut Berlant und Warner, Sammlung unterschiedlichster, riskanter und provokativer Wege und Ästhetiken, die Queers einschlagen und schaffen, um das zu kultivieren, was von „rechtschaffenden“ Menschen als „kriminelle Intimitäten“ abgewertet wird. „Rechtschaffend“ steht hier in Zusammenhang mit der Vorstellung einer öffentlich sexuellen Gesellschaft im Gegensatz zur privatisierten sexuellen Kultur der Heterosexualität, die ihren Praktiken ein unausgesprochenes Gefühl der Richtigkeit und Normalität verleiht. Dieses Gefühl der Richtigkeit, das nicht nur im Sex, sondern in den Dingen selbst verankert ist, nennen Berlant und Warner Heteronormativität und meint damit weit mehr ist als nur Ideologie, Vorurteil oder die Phobie vor Schwulen und Lesben. Sie manifestiert sich in nahezu allen Formen und Arrangements des sozialen Lebens: in Nationalität, Staat und Gesetz, in Wirtschaft, Medizin und Bildung ebenso wie in den Konventionen und Affekten der Narrativität, der Romantik und anderen geschützten kulturellen Räumen.⁸ Die heterosexuelle Matrix erscheint wie eine unumgängliche, einzig wahre Realität, der man nur entkommen kann, indem man sich in Nischen dominanter Öffentlichkeiten versteckt oder sich unterhalb der sichtbaren Oberfläche des Alltags bewegt, etwa in Gay- und Lesbian-Bars, in Clubs und Cruising-Spots, in der sowohl sexuelle Freiheiten als auch intime Begegnungen und Nicht-Begegnungen existieren dürfen. Inzwischen hat die digitale Welt diese Grenzen verschoben, denn Social Media verbreitet und verbindet netzwerkartig alle und jede*n, die sich in ihrer Lebensrealität verstanden und zugehörig fühlen. Mehr Menschen kommen, sei es zufällig oder durch den algorithmusgesteuerten Trends, mit diesen Lebensrealitäten in Berührung. Was auch eine Erklärung sein kann, weshalb die Sichtbarkeit von LGBTQIA+-Menschen derzeit Hochkonjunktur erlebt.
Wir leben in einer Welt, gestaltet von cis-heteronormativen Menschen für cis-heteronormative Menschen.
Sowohl in der Designpraxis als auch in der Designtheorie lassen sich wenig Bezüge zur Queer Theory finden. Die Forschung von Ece Canlı ist daher umso bedeutender. In ihrer Dissertation Queering Design: Material Re-configuration of Body Politics hinterfragt Canlı aus einer queer-feministischen und anti-kolonialen Perspektive grundlegende Annahmen der Designpraxis. Sie argumentiert, dass Geschlechternormen im Design dekonstruiert werden müssen, um die Grenzen für queere Individuen zu verschieben. Canlı konzentriert sich in ihrer Forschung nicht auf besonders im Design gängige Konzepte, die Innovation und maximales Entwicklungspotenzial überbetonen. Dies ist vor allem in der marktorientierten Designbranche, welche sich ausschließlich über diesen Weg profiliert, der Fall. Stattdessen richtet sie ihren Blick auf diejenigen, die sich am unteren Ende der Erfolgspyramide befinden. Es sei ein Trugschluss, so Canlı, Design nur als Produkt eines unbedingten Fortschrittsglaubens in einem kapitalistischen System zu sehen. Ebenso wichtig seien dekonstruktive Methoden wie unlearning, unmaking und undoing – also ein Abbauen existierender und erlernter Konventionen – und damit als Anti-Strategien für die Designpraxis verstanden werden können.⁹
Canlı betont, dass Design queeren bedeutet, bei der gestalterischen Kritik festgefahrener Materialitäten, Handlungen und Systeme nicht in alte Designmuster zurückzufallen. Stattdessen sollte Design auch dysfunktional, unnütz und frei von Erfolgsdruck oder totaler Gestaltung sein – ergebnisoffen und bereit für das Erleben eines radikalen „Scheiterns“ (failure). ¹⁰ Das Ziel von Queering Design ist es, eine Machtverschiebung zugunsten marginalisierter Individuen zu erreichen und einen bisher ausgebliebenen queer turn im Design herbeizuführen, der die Konstruktion von Geschlechternormen grundlegend hinterfragt und dekonstruiert. Queering Design kann ironisch, absurd, campy und missverstanden sein und fungiert daher auch als Antithese zu sich selbst.
„Einen queere turn im Design bedeutet nicht ‚Design für queere Menschen‘ als neuen Markt für Produktion oder um eine Sammlung von ‚queeren Designern‘ zu erzeugen. Es bedeutet auch nicht, Queerness im Design als stilistisches Mittel für alle marginalisierten Identitäten oder lediglich als geschlechtslos oder ‚unisex‘ zu betrachten. (…) Es ist ein Projekt des Aufdeckens, Entfaltens und Entwirrens der Hegemonien aller materiellen Praktiken, die tief in unseren kulturellen, sozialen und alltäglichen Kontexten verwurzelt sind.“¹¹
Queering Design versteht sich also als eine kritische Designpraxis, die traditionellen Gestaltungsprinzipien gegenübersteht. Es ist unbestreitbar, dass sowohl die gestaltete Welt als auch die Grundsätze des Designs innerhalb heteronormativer Idealvorstellung definiert wurden. Während Queering Design plurale Lösungen und verschiedenartige Wahrheiten zulässt und diese in den Gestaltungsprozess einbezieht, auch wenn sie zu keiner konkreten Lösung führen, steht es im Widerspruch zum Dogma des „guten und einzig wahren Designs“, das als Universallösung versucht, alle Probleme zu vereinen.¹² Die allgemeinen Erwartungen an Design stehen immer in Verbindung mit ganzheitlichen Lösungen, doch dabei gehen häufig die Stimmen marginalisierter Gruppen verloren.
Queering Bathrooms
Ich möchte auf mein Thema der geschlechtergetrennten Toiletten zurückkommen, ein besonders interessantes Beispiel in diesem Kontext. Gemeinschaftstoiletten werden oft als neutrale, funktionale Infrastrukturen verstanden, die universelle Bedürfnisse erfüllen sollen. In Wirklichkeit sind sie jedoch fluide, umkämpfte Räume, die durch die Interaktion von Körpern und Gemeinschaften anders geformt und interpretiert werden. Standardisierte Gestaltungsnormen basieren auf einer binären Raumpolitik, die ungleiche Geschlechterrollen voraussetzt und damit überholte Vorstellungen festigt, während „andere“ Geschlechteridentitäten ausgeschlossen werden. Das Credo des universellen Designs verspricht eine „Lösung für alle“, erweist sich jedoch als lückenhaft und nicht vollständig durchdacht. Trotz der bekannten Probleme gestaltet sich eine Veränderung dieser Räume oft als schwierig bis unmöglich. Debatten enden häufig im bürokratischen Chaos, was zur fortwährenden Diskriminierung und Stigmatisierung von trans* und non-binären Menschen führt. Bereits 2015 initiierten der Architekt Joel Sanders, die Transgender-Historikerin Susan Stryker und der Rechtswissenschaftler Terry Kogan das Projekt Stalled!, das die Dichotomie geschlechtergetrennter Toiletten kritisiert und diese Thematik aus kultureller, politischer und rechtlicher Perspektive beleuchtet:
„Wir sind entschlossen, dieses Thema durch drei Initiativen in den Bereichen Design, Recht und Bildung anzugehen: die Entwicklung von Best-Practice-Richtlinien für geschlechtsneutrale Toiletten unter Berücksichtigung rechtlicher, wirtschaftlicher und praktischer Aspekte; die Änderung des International Plumbing Code („IPC“)—des Modellcodes, der die meisten Bauvorhaben in den Vereinigten Staaten regelt, um geschlechtsneutrale Mehrbenutzer-Toiletten zu ermöglichen; und die Sensibilisierung der Design-Community sowie institutioneller und staatlicher Akteure.“¹³
Die sogenannte multi-user solution bricht mit der binären Raumgestaltung, die halb-abgetrennte Kabinen nutzt, und ersetzt sie zu einer offenen Raumsituation mit vollständig geschlossenen Toilettenräumen. Diese Umstrukturierung bietet den Nutzenden mehr Sicherheit, indem sie die Gesamtsituation leichter überblicken können, während gleichzeitig durch abgetrennte Toilettenbereiche Intimsphären gewahrt bleiben. Trotz der scheinbar einfachen Forderungen und Vorschläge hat sich neun Jahre nach Veröffentlichung des Projekts wenig verändert. Sowohl Befürworter*innen, als auch für Gegner*innen geschlechtergetrennter Toiletten betrachten das Thema als eine Sicherheitsfrage. Gegner*innen bezeichnen Trans*-Frauen fälschlicherweise als Männer*, die sich als Frauen* verkleiden, während Trans*-Allies auf Statistiken verweisen, die zeigen, dass Trans*-Personen auf der Toilette häufiger Opfer von Gewalt werden.¹⁴
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen: Queering Design ist weit mehr als nur Glitzer und Paillette, ein Folly hedonistischer Freiheit innerhalb von Safespaces oder auf Social Media. Es ist der materialisierte Wunsch nach Zugehörigkeit und Anerkennung sowie ein Kampf gegen cis-heteronormative Denkmuster und Ideale, der manchmal provokativ sein muss, wie es Berlant und Warner es in ihrem Konzept der Welterzeugung beschreiben. Queering Design hinterfragt die Art und Weise, wie Design zur Privilegierung bestimmter Körper beiträgt und andere marginalisiert, wie Ece Canlı treffend formuliert hat. Statt eindimensionaler Lösungen, braucht es – wie es Joel Sanders, Susan Stryker und Terry Kogan im Projekt Stalled! zeigen – ganzheitliche Ansätze, die strukturelle Probleme erkennen und Macht zugunsten marginalisierter Gruppen verschieben. Queering Design nimmt niemandem Freiheiten, sondern lädt dazu ein, die Welt aus einer queeren Perspektive zu betrachten. Unsere komplexe Gesellschaft erfordert, dass wir verschiedene Wahrheiten und Lebensrealitäten anerkennen und Lösungen anbieten, die den vielfältigen Bedürfnissen gerecht werden. Queering Design ist folglich keine Problemlösungsstrategie, aber eine Antwort auf viele noch offene und zu klärende Fragen, die Designer*innen dazu anregen sollte, sich dieser Herausforderung bewusst zu stellen.
Photo Credits: András Tibor Vizi, Model: Anton Henzler
Editorial: Dr. Mahret Ifeoma Kupka
Diese Veröffentlichung ist erstmalig in der Publikation "Aneignung*" des gleichnamigen Seminars im SoSe 2024 von Dr. Mahret Ifeoma Kupka für Designtheorie an der UdK Berlin am 19.11.2024 erschienen. Herausgegeben vom Institut für experimentelles Bekleidungs- und Textildesign der Universität der Künste, Berlin.
0 Die Abbildungen zeigen eine Version des öffentlichen Toilettenkonzepts basierend auf Stalled!. Der Vorraum ist von beiden Seiten offen und durch eine semi-transparente Trennwand teilweise abgetrennt, was Sicherheit durch die Möglichkeit schafft, die Raumsituation aus verschiedenen Perspektiven zu überblicken. Die dahinterliegenden Kabinen sind vollständig geschlossene Räume, die absolute Intimsphäre gewährleisten.
1 Vgl. Silke Wichert, Gören Sommer, in Süddeutsche Zeitung Online Magazin, 23.07.2024, https://sz-magazin.sueddeutsche.de/vorgeknoepft-die-modekolumne/brat-charlie-xcx-gruen-summer-kamala-harris-94142 (zuletzt besucht am 19.08.2024)
2 Vgl. Marc Malkin, Masked Singer Orville Peck on Being Openly Gay in Country Music: ‘We’ve Always Been There’, in Variety Online Magazine, 02.06.2022, https://variety.com/2022/music/news/orville-peck-country-music-gay-lgbtq-1235283119/ (zuletzt besucht am 19.08.2024)
3 Vgl. Tristan Ferland Milewski, Hass Gegen Queer, Filmreportage dass rbb, 24.07.2024, https://www.rbb-online.de/doku/h-j/hass-gegen-queer.html, (zuletzt besucht am 20.08.2024)
4 Vgl. Elon Musk, X, 23.07.2024, https://x.com/FoxNews/status/1815560005866738101, Aufgerufen am 16.08.2024 (zuletzt besucht am 20.08.2024)
5 Vgl. Alexander Amon, Den Wölfen vorgeworfen: Trans-Tochter von Musk äußert sich zu Biografie, Der Standard, 14.08.2024, https://www.derstandard.de/story/3000000232377/den-woelfen-vorgeworfen-trans-tochter-von-musk-aeussert-sich-zu-biografie(zuletzt besucht am 16.08.2024)
6 Vgl. Heike Rüder, Rechte Hetze trifft auf Realität, TAZ online, 14.06.2023, https://taz.de/Drag-Kuenstlerinnen-lesen-Kindern-vor/!5935315/, (zuletzt besucht am 16.08.2024)
7 Vgl. Berlant, Lauren, and Michael Warner. "Sex in public." Critical inquiry 24.2 (1998), S.92
8 Ebd.
9 Die Idee des undoings entspringt der dekolonialen Theorieforschung und bezieht sich auf die Praxis, jegliche Form von kolonialem Denken, Strukturen und Materialitäten rückgängig zu machen. Canlı zieht Parallelen zum Design und erkennt dort eine fortwährende koloniale Logik, die sich auf das Queeren übertragen lässt. Undoing lässt sich auch ganz im Sinne von Judith Butlers Veröffentlichung Undoing Gender verstehen, als eine „Abweichung“ von wiederkehrenden Normen und der binären Geschlechterordnung sowie erlernten Gender-Performativitäten. Abweichung meint dabei auch, sich bewusst in eine Gegenposition zur Dominanz cis-heteronormativen Denkmustern und Materialitäten zu stellen. In einer von Menschen für Menschen geschaffenen Welt, in der Ressourcen und Bedingungen ungleich verteilt sind, werden cis-heteronormative Materialitäten kontinuierlich reproduziert. Dadurch werden bestimmte Körper privilegiert und als überlegen angesehen, während andere unterdrückt und marginalisiert werden. Canlı macht mit dieser Gegenüberstellung klar, dass das aufgezwungene, disziplinierte Geschlecht nicht allein ein Konstrukt von Gender-Performativitäten ist, sondern auch in den designten Räume, Architekturen, Systeme und Gesellschaften verankert ist, in denen sich die Subjekte bewegen.
Vgl. Ece Canlı, Queering Design: Material re-configuration of body politics, University of Porto (FBAUP), Porto, 2017, S.3
10 Vgl. Felix Kosok, Form, Funktion und Freiheit: über die ästhetisch-politische Dimension des Designs, Vol. 11, Hrsg. v. Prof. Dr. Oliver Ruf, transcript Verlag, Bielefeld, 2021, S. 348
11 Übersetzung des Autors. Im Original: „[A] queer turn in design does not mean ‚design for queer people‘ as a new marketplace for production or to make an inventory of ‚queer designers‘. Nor does it deem queerness in design to be a stylistic umbrella for all marginalized identities or merely being genderless or ‚unisex‘. (…) It is a project of excavating, unfolding and unraveling the hegemonies of all material practice so deeply entrenched in our cultural, social and daily contexts.“ Ece Canlı, Queering Design: Material re-configuration of body politics, University of Porto (FBAUP), Porto, 2017, S.100
12 Vgl. Mara Recklies, Design ist niemals wertfrei, Mara Recklies im Gespräch mit Felix Kosok, Deutscher Designer Club, 02.11.2023, https://www.ddc.de/de/magazin/design-ist-niemals-wertfrei.php (zuletzt besucht am 20.08.2024)
13 Übersetzung des Autors. Im Original:: „We are committed to tackling this topic through three design, legal and educational initiatives: developing Best Practice Guidelines for all-gender restrooms in light of legal, economic, and practical considerations; amending the International Plumbing Code (“IPC”)—the model code that governs most construction in the United States to allow for all-gender, multi-user restrooms, and raising the awareness of the design community and institutional and government stakeholders.” Joel Sanders, Stalled!, Auszug aus Projektbeschreibung, https://www.stalled.online, (zuletzt besucht am 17.08.2024)
14 Stryker, Susan, Stalled!, Anzug aus Projektfilm, https://www.stalled.online/#video, (zuletzt besucht am 15.08.2024)
15 Gillian Frank, The Anti-Trans Bathroom Nightmare Has Its Roots in Racial Segregation, Slate Online Magazine, 10.11.2015, https://slate.com/human-interest/2015/11/anti-trans-bathroom-propaganda-has-roots-in-racial-segregation.html, (zuletzt besucht am 17.08.2024)
16 Chantal Louis, Rettet die Frauentoilette!, EMMA, 04.11.2022, https://www.emma.de/artikel/bald-keine-frauen-toiletten-mehr-339915 (zuletzt besucht am 11.08.2024)